Haarzell-Leukämie-Hilfe e.V.


Jahrestreffen 2002

Bericht vom 10. bundesweiten Treffen des Selbsthilfevereins für Haarzell-Leukämie sowie der Mitgliederversammlung am 11./12. Mai 2002 in Goslar


Guten Tag!

Wie bereits seit einigen Jahren fand auch das 10. Jahrestreffen in den Räumen des Berufs-förderungswerks Goslar statt. Wir tagten wieder in der Mensa, einem großen, schönen Raum.

Am Freitag hatten wir als "Vorprogramm" eine Wanderung auf den Brocken (Teilnahme 16 Personen) und eine Stadtführung (Teilnahme 20 Personen) angeboten.
104 Personen haben an dem Treffen teilgenommen, auch aus Österreich und Spanien.

Ablauf des Treffens:

Beginn am Samstag, den 11.5.2002, um 13 Uhr: Begrüssung, als Gäste waren anwesend: Frau Dr. Holtkamp von der Deutschen Leukämie- und Lymphomhilfe Bonn und Frau Kramkowski von der Firma Ortho-Biotech (Janssen-Cilag).

Danach folgte ein kurzer Rückblick auf die Aktivitäten des Jahres. Dann schilderten die Betroffenen ihren Krankheitsverlauf, Therapie und Nebenwirkungen. Unter den Anwesenden waren 12 Neuerkrankte, die besonders von den Informationen profitierten.

Um 15 Uhr traf Herr Dr. Rummel aus Frankfurt ein, der seine Studie zur Lebensqualität der HZL-Patienten, sowie zur Verträglichkeit der Interferon-Therapie und der Chemotherapie mit 2CdA vorstellte.

Im Oktober 2000 habe ich 170 Fragebögen an die Patienten der Selbsthilfegruppe verschickt, vermutlich haben Sie auch an der Studie teilgenommen.
Weitere 32 Fragebögen wurden von Patienten aus hämatologischen Zentren und Praxen aus-gefüllt, die Beteiligungsrate betrug 81%.
Von den angeschriebenen 450 Arztpraxen haben nur 79 (für 189 dort behandelte HZL-Patienten) geantwortet. Zusätzlich wurden 16 Fragen zum Diagnosezeitpunkt und zur subjektiven Einschätzung der Verträglichkeit und Lebensqualität gestellt.
Verglichen wurden die Antworten von Interferon-behandelten Patienten und mit 2CdA therapierten Patienten.
Auf die Frage zur subjektiven Einschätzung der Patienten bezüglich der Verträglichkeit haben von den mit IFN behandelten Patienten

  • 45% mit gut (bei 2CdA 67,4%)
  • 40% mit mäßig (bei 2CdA 28,4%)
  • ,
  • 15% mit schlecht (bei 2CdA 4,3%)
geantwortet.

Die angegebenen, meistgenannten Nebenwirkungen der mit IFN behandelten Patienten:
Müdigkeit/Schwäche 21,4%, keine Nebenwirkungen 15,7%, Muskel/Gelenkschmerzen 14,3%.

Entsprechend die Antworten der mit 2CdA behandelten Patienten:
Keine Nebenwirkungen 27,7%, Fieber 17%, Müdigkeit/Schwäche 12,8%.

Auf die Frage: "Bereitet es Ihnen Schwierigkeiten, sich körperlich anzustrengen" erkannten die mit 2CdA therapierten Patienten bei sich eine höhere Leistungsfähigkeit. Dieses Ergebnis war ein signifikanter Unterschied. 60% aller Patienten beschrieben eine sehr gute bis gute Lebensqualität.
Da diese Studie noch nicht in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, kann hier auf Einzelheiten nicht näher eingegangen werden.

Auf die dann aus dem Plenum gestellten Fragen antwortete Herr Dr. Rummel:
  • Bei schlechten Blutwerten sollte evtl. erst mit Interferon behandelt werden und anschließend mit 2CdA.
  • Bei einem Rückfall vor Ablauf von 2 Jahren (nach 2CdA) und einem, wenn auch kurzen Ansprechen auf 2CdA, kann neben Interferon auch die Kombination von Rituximab und 2CdA gegeben werden. Dies ist jedoch noch eine experimentelle Therapie, die aber mit einer wissenschaftlich begründbaren Rationalen abgesichert werden kann.
  • Interferon-Behandlung "als Vorsorge" ist nicht sinnvoll.
  • Neupogen (zur "Unterstützung" der Leukozyten) kann lange gegeben werden.
  • Eine Knochenmarksbiopsie zur Diagnose der HZL ist unbedingt erforderlich.
  • Eine 2CdA-Therapie kann das Immunsystem schädigen.
  • Die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Krebserkrankung ist nach 2CdA 1,5 mal so hoch wie bei der normalen Bevölkerung.
Nach einer Pause fuhren die restlichen Betroffenen fort mit der Schilderung ihrer Krankheitsgeschichten, danach stellten wir die Fragen für Herrn Prof. Pralle am Sonntag zusammen.
Darauf folgte die Mitgliederversammlung und der Rechenschaftsbericht des Vorstands. Ich entschuldigte mich für einen Formfehler in der Einladung. Dem Verein sind 167 Mitglieder beigetreten (120 Männer, 47 Frauen), zum Teil auch die Ehepartner. Wir haben ca. 15-20 Neuzugänge pro Jahr. Nach der Schilderung der Vorstandsarbeit und der Kassenprüfung wurde dem Vorstand Entlastung erteilt.

Beim gemeinsamen Abendessen (gesponsert von der Firma Ortho Biotech bzw. Janssen-Cilag AG) wurden die Fach- und Privatgespräche zwischen den Betroffenen fortgesetzt.


Am Sonntag kam Herr Prof. Pralle aus Gießen.
Aus unseren Fragen ergaben sich folgende Antworten von Herrn Prof. Pralle:
  • Die "Haarzell-Leukämiezelle" ist die lamgsamst wachsende Leukämiezelle. Es können 6-10 Jahre bis zur klinischen Diagnose vergehen. Die Erkrankung ist in einer Zelle entstanden, diese ist die immer gleiche Haarzelle der Leukämie geworden. Sie enthält ein speziell aufgebautes Gen für ein Immunglobulin.
  • Im Knochenmark finden sich (neben der Milz) immer Haarzellen, deshalb wird zur Feststellung der Erkrankung in jedem Fall eine Knochenmarksbiopsie gemacht werden. Das Knochenmark verändert sich. Der Fettanteil schwindet. Fleckförmig erscheint die HZL. Ein Spezialist kann mittels einer MRT (Magnetresonanztomographie) die Aufnahmen des Knochenmarks in bezug auf den Befall auswerten.
  • Bei Zellarmut (schlechte Blutwerte) kann mittels MRT festgestellt werden, wo noch blutproduzierendes Mark in den Markräumen arbeitet.
  • Früher wurde oft die Milz entfernt. Ein großer Fortschritt kam 1984 mit der Interferon-Therapie.
  • Behandelt werden soll, wenn bakterielle (starke) Infektionen häufiger auftreten, wenn Erschöpfungen nach Belastungen erfolgen.
  • Erkennen der Gefährdung im Blutbild (<500/µl neutrophile Granulozyten, <100.000 -60.000 Thrombozyten/µl).
    (Es gibt keine starren Meßgrößen für den Beginn der Behandlung: Das Allgemeinbefinden muß beachtet werden und körperliche Symptome wie Blutungsneigung, Häufigkeit von Infekten, Erschöpfungszustände u.a.).
  • Mit gut dosiertem Interferon läßt sich in der Regel gut leben, wenn die Behandlung abgesetzt wird, kommt die Krankheit meistens zurück. Studien mit Interferon in den USA haben gezeigt: Nach einer 7-monatigen Behandlung erfolgt der Rückfall nach 11 Monaten, nach einer 13-monatigen Behandlung kommt der Rückfall nach 22 Monaten. (Anmerkung: Dies entspricht nicht den Beobachtungen aus der HZL-Gruppe. Hier gibt es mehrere HZL-Patienten mit bis zu 10 Jahren ohne Rückfall nach -allerdings längerer- Interferon-Therapie).
  • HZL-Patienten haben während der aktiven Erkrankung keine Monozyten. Durch die Interferon-Behandlung steigen die Monozyten wieder. Das von ihnen (den Monozyten) wieder hergestellte Interferon bewirkt dann selbst die Bekämpfung der Leukämie. Beispiele von schweren Infektionen mit hoher Interferon-Produktion haben früher in einzelnen Beschreibungen langanhaltende Rückbildungen der HZL erlaubt.
  • Bei Dauertherapie mit Interferon sind Unverträglichkeiten, auch neurologische Neben-wirkungen bis zu einem gewissen Maß hinzunehmen. Oft verlangen aber gerade die psychischen Nebenwirkungen die Umstellung auf ein anderes Verfahren.
  • Die IFN-Erhaltungsdosis: 3 Mio/ Woche (oder 12 Mio/Monat) kann nur selten unterschritten werden.
  • Eine große Milz kann platzen, z.B. bei einem Sturz, die (innere, verzögerte) Blutung ist gefährlich.
  • Besonders wenn zuviel Neupogen gegeben wird, besteht die Gefahr einer Milzruptur.
  • Peg-Intron (Essex) oder Pegasys (Roche) wurden zur klinischen Testung bei Hepatitis C angewandt, für die HZL sind sie (noch) nicht zugelassen. Es kann aber wahrscheinlich auch gesetzlich Versicherten gegeben werden. 1 Dosis/Monat mag reichen, die Erhaltungsdosis ist noch unbekannt.
  • Für weitere Aussagen zur Behandlung mit 2CdA (Leustatin) verweisen wir auf unseren Bericht aus dem Jahr 2001.
  • Nach der Behandlung mit DCF (Pentostatin) kann die Nierenleistung nachlassen. Kurzzeitig wird das immer beobachtet. Langzeituntersuchungen beruhigen etwas. Sehr lange Beobachtungen liegen aber noch nicht vor.
  • Über Zweittumore nach 2CdA-Behandlung gibt es nicht genug Erkenntnisse.
  • Die Preisbindung des 2CdA ist bald abgelaufen (voraussichtlich 2004).
  • Welcher zeitliche Abstand zwischen einer 2. + 3. 2CdA-Behandlung empfohlen wird, ist nicht bekannt.
  • Interessant wird die Behandlung mit dem Antikörper z.B. Rituximab (Mabthera, Roche) für uns sein. Fortentwicklungen werden erwartet. Er bindet an ein stabiles Molekül der B-Zellen. Er wird oft bei anderen Lymphomen verwendet und erzeugt wenige Nebenwir-kungen (Vorsicht: Einzelfallbeschreibungen sind sehr positiv. Negative Verläufe werden nicht berichtet!)
  • In den USA gibt es eine Studie des Autors Kreitman mit dem neuen Antikörper BL22, die Teilnahme dort ist kostenlos (in Deutschland sind einige Patienten damit behandelt worden). Er erreicht eine Struktur in der Zelle.
  • Erwartet wird auch eine Aktivität von Campath 1H. Er erzeugt Nebenwirkungen.
  • Eine hohe Leukozytenzahl weist auf eine HZL-Variante hin.
  • Grippeschutzimpfungen werden empfohlen, auch Impfung gegen Tetanus. Auch die 5-fach-Impfung ist sinnvoll.
  • Reisen in die Sonne, sogar in die Wüste, ist HZL-Patienten erlaubt.
  • EXTRA-WUNSCH: Prof. Pralle möchte für eine Studie die Mitarbeit von Patienten, die sich nach der Therapie gut fühlen. Es soll mit Hilfe der Ärzte festgestellt werden, ob und in welcher Höhe noch eine minimale Resterkrankung vorliegt.
    Vorbedingung: Altes Material muß noch in der Pathologie liegen, um die spezielle persönliche Zelle als Beispiel untersuchen zu können. Neu entnommenes KM-Blut muß dann mit der speziellen Suchsonde molekulargenetisch getestet werden, um die Restkrankheit finden zu können (Nur so kann eine Zelle pro 1 Million sicher auf die HZL bezogen werden).
Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung setzte sich der Vorstand zu einer "Manöver-kritik" bezüglich des abgelaufenen Treffens zusammen.
Ich persönlich wünsche mir, daß künftig jemand bei den Treffen Protokoll führt und daß wir anschließend, um den Bericht zu erstellen, die Notizen vergleichen und ergänzen können. Wer würde das tun können?
Weiter suche ich jemanden mit guten Englischkenntnissen, der oder die unser gelbes Heft "Infos über HZL" mit der Neuauflage von der "Leukemia Society of America" vergleicht und Änderungen markiert, die Übersetzung dieser Änderungen würde ich gerne wieder über Herrn Prof. Pralle machen lassen. Danach erfolgt dann der neue Druck des Heftes.



Weitere Mitteilungen aus dem Verein:
  • Das Jahrestreffen im Jahr 2003 ist, wie beim Treffen in diesem Jahr bereits angekündigt, am Wochenende 31.5./1.6.2003. Leider war nur dieser Termin möglich.
  • Anbei erhalten Sie die Zuwendungsbestätigungen und, falls Sie beim vergangenen Treffen anwesend waren, die neue Liste "Weitergabe der Adressen".
  • Zur Vervollständigung meines Adressbuchs senden Sie mir bitte, wenn vorhanden, Ihre e-mail-Adresse (einfach per mail).
  • Ich wurde von Herrn Prof. Pralle eingeladen, am 21.6.02 beim 3. Marburg-Gießener Symposium in Gießen einen Vortrag mit dem Thema "Selbsthilfegruppen: Ihre Leistungen und ihre Erwartungen" zu halten. Der wurde, denke ich, sehr gut aufge-nommen.
  • Die Deutsche Leukämiehilfe hatte ebenfalls zu diesem Datum zum 5. DLH-Kongreß nach Regensburg eingeladen. Ich fuhr also von Gießen nach Regensburg weiter, wo schon der 2. Vorsitzende, Herr Hinzmann, die interessanten Vorträge am Samstag gehört hatte.
  • Von der Deutschen Leukämiehilfe wurde ich gebeten, eine "Warnung" weiterzugeben. Es handelt sich um einen Herrn M., wohnhaft im Vogelsbergkreis und in Schleswig-Holstein, der behauptet, Krankheiten -auch Krebs- "heilen" zu können. Er verlangt dafür 8000.- EUR und setzt die Patienten unter Druck, dafür ggf. einen Kredit aufzunehmen.
  • Vor den Informationen, die Dr. med. Rath an Selbsthilfegruppen und vermutlich auch sonstwo verteilte und wissen ließ, daß er mittels seiner Zell-Vitalstoffe die Ausbreitung der Krebszellen hemmen könne, ist m.E. ebenfalls zu warnen.
  • In den DLH-Informationen 17 wurde ein Bericht über das Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankenunterlagen veröffentlicht, von dem ich Ihnen auf Wunsch gern eine Kopie schicken kann.
  • Betroffenen aus dem norddeutschen Raum füge ich eine Einladung für den 24.8.02 ins Congress Centrum Hannover bei. Es laden die niedergelassenen internistischen Onko-logen ein. Thema: Ist die Behandlung von Krebspatienten in Deutschland noch bezahlbar?
Die Aussagen von Herrn Dr. Rummel und Herrn Prof. Pralle an unserem Treffen habe ich von diesen bestätigen lassen, deshalb bekommen Sie diesen Bericht leider verspätet.

Ich wünsche uns einen schönen, sonnigen Sommer, ich bin in der letzten Augustwoche aus dem Urlaub zurück.

Mit den besten Wünschen und freundlichen Grüßen

Der Vorstand


 

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